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Socialcamp 2009: Aha-Erlebnis fehlt

Der Studenplan für die Socialcamper am Samstag (Foto: Helpedia)Inspirierende Gespräche, fundierte Sessions und exzellentes Catering – schön war’s. Das ist mein Kurzfazit des diesjährigen Socialcamps, das am 3./4. Oktober in Berlin stattgefunden hat. Zum zweiten Mal haben sich Social-Media-Experten und NGOler getroffen, um sich auszutauschen und voneinander zu lernen. (Fotos von Helpedia). Die Euphorie des vergangenen Jahres hat sich bei mir dieses Mal aber nicht eingestellt.

Die Teilnehmer

Erfreulich war, dass dieses Jahr deutlich mehr Vertreter etablierter NGOs dabei waren, darunter action medeor, Ärzte ohne Grenzen, CARE, Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, Deutsches Kinderhilfswerk, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe, Oxfam oder Schüler schenken Leben. Einige Kollegen aus den Entwicklungs-NGOs, die ich gerne getroffen hätte, mussten allerdings kurzfristig absagen: Wegen verschiedener Naturkatastrophen, vor allem wegen des Erdbebens in Indonesien, konnten sie nicht weg aus dem Büro. Das zeigt, dass für Hilfs-NGO die Kernaufgaben aber auf jeden Fall vorgehen. Auffällig war, dass kaum namhafte Blogger oder spezialisierte Agenturen vertreten waren, die 2008 mitgemacht haben.

Die Sessions

Session beim Socialcamp (Foto: Helpedia)Während es 2008 schon fast schwierig war, einen Raum für eine Session zu ergattern, blieben dieses Mal einige Slots frei. Weil einige etablierte Experten und „Vordenker“ nicht dabei waren (s.o.), hatte ich den Eindruck, dass das Niveau der Sessions insgesamt nicht so hoch war wie im letzten Jahr. Man kann sagen, dass das Camp eher Austausch- und Werkstattcharakter hatte, bei dem konkrete Anwendungsbeispiele und „do’s and don’ts“ diskutiert wurden. Das kommt dem Ziel, klassische NGOs verstärkt einzubinden entgegen und führt dazu, dass Social Media-Aktivitäten dieser Akteure tendenziell besser werden.

Stehtisch- statt Flurgespräche beim Socialcamp (Foto: Helpedia)Andererseits fehlt das Visionäre, das „Aha“-Erlebnis für die NGOler. Eine „Einzelkritk“ einiger Sessions habe ich weiter unten zusammengestellt. Die NGOler sahen sich dieses Jahr, anders als 2008, nicht mit der leichten Überheblichkeit einiger  Onliner konfrontiert, die in den NGOs lediglich schwerfällige, uncoole und wenig experimentierfreudige Tanker sehen, sieht man vom Artikel des 19jährigen Simon Columbus ab. Auch bei den Onlinern scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass NGOs nicht die Vorreiter sein müssen, dafür aber wohlüberlegt in ausgewählt Social-Media-Vorhaben investieren.

Das Drumherum

Das Socialcamp ist professioneller geworden: Die Organisation war prima. Das Catering war hervorragend und sorgte für eine Rundum-Wohlfühl-Atmosphäre. Die Party der Socialbar-Macher am Samstagabend tat ihr übriges dazu.

Und nun?

In den Flurgesprächen kristallisierte sich heraus, dass Socialcamp-Neulinge das Wochenende hervorragend, die „alten Hasen“ es „ging so“ fanden. Fraglich ist, ob eine dritte Auflage 2010 im selben Format Sinn macht. Zum einen kennen sich die zentralen Akteure der „Szene“ mittlerweile. Die Onliner sind in der Diskussion mit NGOlern tendenziell unterfordert, die NGOler brauchen aber hochwertigen Input, um das Thema überzeugend in ihre Organisationen zu tragen. Zum anderen wiederholen sich die Socialcamp-Themen in dutzenden, spezialisierten Barcamps jedes Wochenende. Auch die regionalen Socialbars leisten einen hervorragenden Beitrag, die Debatte am köcheln zu halten.

Sessionplanung (Foto: Helpedia)Ich denke, im kommenden Jahr muss etwas neues passieren. Denkbar ist, dass das Socialcamp an eine etablierte Konferenz, z. B. die re:publica andockt oder von verschiedenen NGOs (mit-)getragen wird. Auf diese Art und Weise könnten Synergieeffekte geschaffen und die Zielgruppe erweitert werden. Denkbar wäre aber auch, dass gewisse thematische Schwerpunkte definiert werden, zu denen dann gezielt Fachleute eingeladen werden, um das Profil des Socialcamp zu schärfen.

Einzelkritik

Die Sessions, die ich selbst besucht habe, waren von unterschiedlicher Qualität.

  • Günter Metzges von Campact stellte das Vorhaben des OpenCampaigning vor, einer Open Source-Software, die auf die Bedürfnisse von Nonprofit zugeschnitten ist. Nachdem ich irgendwann die Idee verstanden hatte, setzte sich bei mir die Erkenntnis durch, dass hier Musik drin sein könnte. Gibro hat die Session dokumentiert.
  • Oxfam-Mitarbeiter und Socialbar-Organisator Robert Dürhager stellte in seiner Session über eCampaigning Eckpfeiler für NGO-Online-Aktionen vor. Die Session war substanziell, mit vielen hilfreichen Tipps für NGOler. Vor dem Hintergrund, dass Robert tiefen Einblick in eine progressive Organisation hat, sind seine Tipps nicht von der Hand zu weisen. Ich freue mich, sobald seine Präsentation online ist.
  • Brigitte Reiser und Georg Neumann widmeten sich den Möglichkeiten der webbasierten Kartierung für soziale Organisationen. Sinnvoll kann das sein, um bspw. eine Karte von behindertengerechten Orten zu erstellen, die von Usern selbst bestückt wird.
  • Etwas enttäuscht war ich von der Session zu Flash- und Smartmobs. Nach einer Präsentation des Yeah-Merkel-Flashmobs, inkl. der gescheiterten Aktion beim CDU-Wahlabschluss in Berlin, berichteten Sandra und Daniel über ihre Aktivitäten zur Klimakonferenz in Kopenhagen (Fossil of the Day, 350.org) – was eigentlich nichts mehr mit Flashmobs zu tun hatte. Eine Diskussion über Sinn von Gaga-Flashmob-Aktionen vs. Smartmobs mit politischer Ausrichtung und ob und wie man eine solche Aktion erfolgreich planen kann, fiel unter den Tisch.
  • „Am Anfang war es Liebe“ nannte Sebastian Metzger seine Session über die Zusammenarbeit von Nonprofits mit (Web-)Agenturen. Das Gespräch war auch Dank einzelner anwesender AgenturmitarbeiterInnen spannend. Fazit: es kommt auf intensive und offene Kommunikation an.
  • Eric Poscher bot spontan eine Session zu Facebook an. Gemeinsam diskutierten wir über Anwendungsbeispiele, Vor- und Nachteile von Gruppen, Seiten und FB-Connect. Insgesamt kratzte die Session höchstens an der Oberfläche, obwohl Facebook für viele NGOs unausgeschöpfte Potenzial birgt.
  • Ich selbst, habe meinen Vortrag für die September-Socialbar nochmals hervorgekramt und verschiedene Einsatzbereiche von Social Media in Entwicklungs-NGOs vorgestellt (Gibro war dabei und hat darüber geschrieben). Erfreulich war, dass einige der zitierten NGOs direkt aus ihrer Erfahrung berichten konnten. Interessanter Diskussionspunkt war die Frage der Abstimmungsprozesse zwischen Onlineredaktion und Chefetage. Passend dazu gab es später die Session „How to educate your Boss?“, die ich leider verpasst habe.