Wer wüsste nicht gern, wie man die Mächtigen das Fürchten lehrt? Srdja Popovic weckt mit dem Untertitel seines Buchs „Protest!“ (Fischer Verlag, 2015) hohe Erwartungen. Ich habe es über die Weihnachtstage gelesen.
Popovic bezeichnet sich selbst als nicht sonderlich intellektuellen Menschen (S. 9) und schreibt deshalb auch kein akademisches Lehrbuch über Aktivismus. Er selbst wurde als Student zum Aktivisten und hat in der OTPOR!-Bewegung in Serbien im Jahr 2000 zum Sturz von Machthaber Slobodan Milosevic beigetragen. Seitdem berät er mit seinem Institut CANVAS Demokratiebewegungen in aller Welt (dass seine Kritiker ihn deshalb als US-finanzierte CIA-Marionette bezeichnen, greift er selbstbewußt auf, S. 214).
An diesem Wochenende treffen sich die sieben mächtigsten Staats- und Regierungschefs auf Schloss Elmau in Bayern zum G7-Gipfel. Dieses Treffen ist für viele NGOs ein willkommener Anlass, um ihre Forderungen, wenn auch nicht direkt zu den Entscheider/innen, dann doch zumindest in die (internationale) Presse und damit in die Weltöffentlichkeit zu tragen. Und weil ein Bild mehr als tausend Worte sagt, werden die Botschaften im Rahmen eines Medienstunt präsentiert oder als geplantes Motiv visuell inszeniert.
Ein gutes Kampagnenbild funktioniert ohne zusätzliche Erläuterung, am besten wird die Botschaft durch das Motiv selbst transportiert und es braucht nicht noch ein erklärendes Banner im Bild – oder gar eine erläuternde Bildunterschrift. Das Bild sollte klar, unkompliziert, übersichtlich sein und kein Wimmelbild auf dem man erst lange nach der Botschaft suchen muss. Meine Timeline ist dieser Tage voll von solchen Bildern. Hier eine kleine Auswahl von Bildern, die Nonprofits rund um G7 ins Netz geschickt haben. Welches Motiv überzeugt? Wo kommt die Botschaft am besten rüber?
Pünktlich zum zehnjährigen Geburtstag hat Campact bei seinem Jubiläumskongress mit WeACT eine Plattform für jedermanns eigene Online-Petition vorgestellt. Bislang konnten die 1,4 Millionen Menschen in der Campact-Datenbank nur zentral gesteuerte Kampagnen unterstützen oder bei gelegentlichen Aktionstagen eigene Events erstellen. Jetzt können Aktivist/innen auf WeACT ihre eigenen Online-Unterschriftensammlungen starten und dafür selbst Unterstützer/innen suchen.
In einer umgebauten Scheune im Berliner Umland startet im Juni das erste Campaign Bootcamp in Deutschland. Junge Kampagnenmacher/innen lernen dort von erfahrenen Trainern in fünf Tagen die Grundlagen und das Handwerkszeug für erfolgreiche zivilgesellschaftliche Kampagnen. An den Trainingskurs schließt sich ein einjähriges Mentoring-Programm an.
Anne Isakowitsch hat die Idee für das Campaign Bootcamp aus Großbritannien mitgebracht und organisiert den Kurs mit einem kleinen ehrenamtlichen Team (Disclaimer: Der Autor dieses Textes gehört dazu). Fünf Fragen an Anne, warum es ein Bootcamp braucht und weshalb man hingehen sollte.
Nein, das ist kein Aufruf zum militanten Protest. Das ist ein Aufruf an NGOs, sich mehr um ihre Unterstützer zu kümmern anstatt primär auf die Like-Zahlen von Facebook-Posts zu schielen. Für die Kampagnenmobilisierung ist die Pflege von Beziehungen zu engagierten Aktivisten effektiver als allein der Aufbau einer zahlenmäßig großen Twitter-Followerschaft. Social Media Manager sollten sich weniger Gedanken um den Post machen sondern mehr über diejenigen, die ihn sehen bzw. lesen. Sie sollten sich als Community Manager oder noch besser „Community Mobilizer“ verstehen. Wir geben Tipps, wie man Super-Unterstützer in sozialen Netzwerken identifiziert, organisiert und die Beziehung zu ihnen stärkt.
Wie schnell sollte meine Facebook-Seite wachsen? Wie erreiche ich die die richtigen Leute? Lohnen sich Werbeanzeigen auf Facebook? Acht praktische Funktionen und Benchmarks für Facebook-Campaigner und Social Media Manager.
Wachstum von NGO-Seiten: Die Fanzahlen von Nonprofits-Seiten wachsen im Durchschnitt pro Woche um 0,61%, hat fanpage karma herausgefunden. Wenn viele Fans Eure Inhalte liken, sharen und kommentieren, wächst die Seite schneller. Überlegt also, was Eure Fans mögen und bereitet Inhalte entsprechend auf!
Im Herbst 2012 ist die Entwicklungs- und Hilfsorganisation Oxfam mit den Toten Hosen auf Tour gegangen. Mit im Gepäck waren erstmals zehn iPads inkl. eigens programmierter Oxfam-App zur Unterschriftensammlung. Bei 22 ausverkauften Konzerten wurden die Fans über die Kampagne „Steuer gegen Armut“ informiert – mit Erfolg. Gehört den Tablets die Zukunft des Offline-Campaignings? Ein Erfahrungsbericht*.
Dass Bilder, und erst recht bewegte Bilder, im sozialen Web eine starke emotionale Wirkung haben und sich leichter verbreiten (lassen) als ein achtseitiges Kampagnenmanifest in PDF-Form, hat sich in der NGO-Welt herumgesprochen. Vine macht die Videoproduktion jetzt ganz einfach. Vor wenigen Monaten gestartet und zu Twitter gehörend, hat der Dienst das Potenzial, spannende Video-Kampagnen(elemente) von Nonprofits hervorzubringen. Wir stellen fünf Ideen vor.
Twitter auf der Straße, Blogger einspannen, NGO-Games, Entwicklungshilfe umgekehrt. Kurze Anregungen und Inspirationen für Kampagnenmacher:
Wie Greenpeace Deutschland Twitter in der Kampagnenarbeit einsetzt und das Online-Tool auf die Straße bringt, beschreibt dieser lehrreiche Artikel.
Ein Traum für viele Kampagnenmacher und NGOs ist, dass „die Blogger“ über die eigene Aktion berichten. Passieren tut das allerdings eher selten. Thomas Pleil hat in zwei Artikeln Tipps zusammengetragen, um „Blogger (zu) verstehen und (zu) identifizieren„. Passend dazu eine Fallstudie, wie Oxfam America erfolgreich Blogger für die Kampagne zum Weltfrauentag gewonnen hat. Weiterlesen
Ende Juni ist die Kampagnenplattform Change.org in einer Beta-Version auf Deutsch gestartet. Bis zum Ende des Jahres soll sie komplett auf Deutsch verfügbar sein. Als „Campaigns Director“ baut Paula Hannemann die Plattform in Deutschland auf, ab September komplettieren ein Campaigner und ein Head of Communication ihr Team in Berlin. Ich habe mit Paula über Konkurrenz von Kampagnenplattformen, das Geschäftsmodell, Finanzierung und Vorteile für NGOs von Change.org gesprochen.
Auf Change.org kann jeder eine Petition starten, die Laufzeit festlegen, um Unterstützer werben, schließlich Sieg oder Niederlage erklären und Unterstützernamen für eine Übergabe downloaden. Change.org führt selbst keine Kampagnen durch, sondern will Macher/innen unterstützen. Ziel ist es, Campaigning zu dezentralisieren und lokales Engagement zu fördern, statt globale Themen vorzugeben.
Ulrich Schlenker: Bei Avaaz kann man mittlerweile eigene Petitionen einrichten. Greenpeace bietet mitGreenaction eine Community für Umwelt-Aktivisten. Warum sollte ein Aktivist das bei Change.org tun?
Paula Hannemann: Wir sind eine offene, überparteiliche Plattform für jeden, der eine Kampagne starten will, wir beziehen keine Position zu den Kampagnen. Dazu geben wir ausführliche Hilfestellung und Tipps, teilen Wissen und Erfahrungen. In den USA gibt beispielsweise kostenlose Webinare. Neben dem Aspekt der Offenheit zeichnet Change.org das hohe technische Niveau aus. Wir wollen die besten Tools in die Hände von leidenschaftlichen Menschen legen. Dafür arbeiten 50 Programmierer an der Plattform.
Gefälschte Shell-Party, Übergabe mit iPad, Prominente für Nonprofits und Nutzertypen in Online-Diskussionen. Kurze Anregungen und Inspirationen für Kampagnenmacher:
Greenpeace und die Yes Men haben zusammen in bester Kommunikations-Guerilla-Manier Shell und dessen Pläne, in der Arktis nach Öl zu bohren aufs Korn genommen. Ein Handy-Video von einer gefakten und misslungenen Shell-Party (#ShellFAIL) in Seattle wurde im Netz lanciert, parallel zu einer ebenso gefakten und zynischen Webseite (u.a. mit Online-Game für Kids). Shell dementiert natürlich und die Yes Men schicken gefakte Abmahnungs-Dorhungen von Shell hinterher. Ergebnis: Medien fielen darauf rein, das Thema „arktische Ölbohrung“ hat große Aufmerksamkeit erfahren (Behind the Scene Video).
Avaaz hat kürzlich in Brasilien Unterschriften an Staatspräsidentin Dilma Rousseff mit Hilfe eines iPads übergeben. Darauf wurde ein Livecounter gezeigt, so dass die Offiziellen sehen konnten, wie sich kontinuierlich mehr Menschen beteiligten: „This approach lends a sense of urgency and reality to the petition presentation – for both officials receiving the petition and citizens asked to sign it“, erklärt Ted Fickes.
Kurze Fundstücke aus der Kampagnenwelt zur Debatte, zur Lektüre und zur Inspiration:
Das Zentrum für Politische Schönheit verspricht 25.000 Euro Belohnung für diejenigen, die Hinweise liefern, die zur Verurteilung der Eigentümerfamilie des Waffenkonzern Krauss-Maffei Wegmann führen. Weil deren Panzergeschäft mit Saudi-Arabien legal ist, wollen die Aktivisten die „Panzerfamilie“ durch andere Delikte drankriegen (ob’s klappt? Fahndungsticker verfolgen). Ist das ein neuer Trend zur Crowdjustiz, wie das betterplace-lab fragt, heiligt der Zweck die Mittel oder haben die Kampagnenmacher nur zu viel „Kony 2012“ gesehen (T-Shirt-Verkauf, Plakatklebe-Aktion und Twitter-Aufruf an den @regsprecher lassen das vermuten)? Eine Debatte über Kampagnenethik sollte rasch beginnen.
A propos „Kony 2012“: Chris Rose, britischer Kampagnenexperte, hat die spektakuläre Videokampagne von Invisible Children ausführlich analysiert. Er kommt zu dem Schluss, man solle „Kony 2012“ als Film und dessen Vermarktung begreifen, nicht als Kampagne. Besonders dankbar bin ich Rose, dass er die Debatte in sechs Aspekte zerlegt. Er diskutiert die Machart des Films, seine Verbreitung, Offline-Aktionstag, Menschenrechts-Campaigning allgemein, Macht/Mobilisierung/Aufmerksamkeit und das dahinter liegende Interesse der Aktion (war es christlich-evangelikale Werbung?).
Klar ist: Ein mit viel Herzblut und Aufwand produziertes Video einer möglichst großen Zahl von Zuschauern zu zeigen, ist mühsam. Dennoch kann ein viral verbreiteter Film den Kampagnenerfolg maßgeblich beeinflussen. Nicht zuletzt sind die „View-Zahlen“ eine wichtige Rechtfertigung für das Produktionsbudget. Deshalb ist ein Videoprojekt mit dem Hochladen auf eine Videoplattform erst zur Hälfte geschafft und nicht zu Ende.
Bei der re:campaign bin ich gemeinsam mit Cornelia Reetz von Film4Change der Frage nachgegangen, wie Non-Profit-Organisationen ihre Videos im Netz verbreiten können. Welche Erfolgsfaktoren und Verbreitungsstrategien gibt es, damit möglichst viele Zuschauer den Kampagnenclip ansehen und – das ist in der Regel das Ziel – dem darin enthaltenen Aktionsaufruf (Call-to-Action) folgen? Das Ergebnis der Diskussion in der Barcamp-Session sind diese 11 Tipps für die Verbreitung von NGO Videos.
„Campaigning als Methode ist erlernbar und professionalisierbar,“ schreibt Andreas Graf von Bernstorff im Vorwort seines eben erschienen Taschenbuches „Einführung in das Campaigning“. Es gebe „zu viele Leute, die Kampagnen machen, die nicht zu gewinnen sind und sich darüber wundern, enttäuscht und traurig sind. Deshalb die folgende Anleitung.“ Dass das zweite Zitat erst auf Seite 64 (von nur 120 Seiten) steht, verweist auf ein Grundproblem des kurzen und leicht zu lesenden Buches: Es steht viel Richtiges, Wichtiges und Einleuchtendes darin, aber sehr verstreut und scheinbar ungeordnet.