Als mich heute morgen meine Kollegin fragte, welchen (deutschsprachigen) Blog ich ihr empfehlen könnte, in dem über aktuelle entwicklungspolitische Themen geschrieben wird und mir als Antwort spontan „Keinen“ einfiel, wußte ich, dass ich diesen Artikel schreiben muss. Hier also das Ergebnis der Recherchen über den Einsatz von Techniken wie Blogs, RSS-Feeds und Newsletter bei entwicklungspolitische Kampagnen und Organisationen.
Wikipedia vergleicht Blogs mit einem öffentlich einsehbaren Tagebuch oder Journal. Es sei ein „einfach zu handhabendes Medium zur Darstellung von Aspekten des eigenen Lebens“ und sieht Blogging als Möglichkeit zur Schaffung von Gegenöffentlichkeit. In diesem Sinne sind Blogs also ideal geeignet, um die Arbeit von entwicklungspolitischen NGOs und Kampagnen darzustellen, die in den traditionellen Medien generell eher als Randthema auftauchen – sieht man von Zeiten schwerer Naturkatastrophen ab. Doch wer nutzt diese Technik und wie?
Nachrichtenportale und Meinungsseiten
Entwicklungspolitik Online (epo) dürfte wohl das bekannteste Nachrichtenportal der Branche sein. Es einen Dinosaurier zu nennen wäre despektierlich. Sämtliche Pressemeldungen von NGOs aber auch von staatlichen Stellen werden (leicht redaktionell bearbeitet) veröffentlicht (Technorati-Rang 854.202).
Der Blog „Baustellen und Globalisierung“ von Rainer Falk (Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwickung) und Barbara Unmüßig (Heinrich-Böll-Stiftung) ist erst seit rund einem Jahr online. Er hat sich in dieser Zeit zu einem wichtigen Orientierungspunkt in der entwicklungspolitischen Debatte etabliert, der über aktuelle internationale Entwicklungen informiert und sich nicht scheut, diese kritisch einzuordnen. Schwerpunkte sind Finanzmärkte und die Internationalen Finanzinstitutionen IWF/ Weltbank, wie die Zahl der vergebenen Labels zeigt (Technorati-Rang 1.405.604).
Blogs von Kampagnen und Bündnissen
Eher als Nachrichtenportal für die Themen Millenniumsentwicklungsziele, Entwicklungsfinanzierung und G8 ist der Kampagnenblog von „Deine Stimme gegen Armut“ zu sehen. Selten pointiert kommentierend dafür mit einem Mix aus politischen Nachrichten, Berichten über Aktivitäten von prominenten Afrika-Aktivisten wie Bono und Bob Geldof, eigenen Kampagneninfos und denen von thematisch nahestehenden Kampagnen ist dieser Blog nicht nur einer der dienstältesten in der Kampagnen-Branche (seit Februar 2007) sondern auch einer der aktuellsten und am häufigsten gefütterte (Technorati-Rang 224.572).
Fachlich hochwertige Beiträge zum Thema „Internationale Schulden“ bietet der Kampagnenblog des Entschuldungsbündnisses erlassjahr.de. Auch über Kampagnenaktivitäten wird informiert, besonders interessant: die täglichen Berichte von Jürgen Kaiser aus Ecuador, wo er im Februar als Mitglied einer Regierungskommissions die Legitimität der Auslandsschulden des südamerikanischen Landes beurteilte. Erst seit Dezember 2007 ist der grafisch schlicht gehaltene Blog so richtig in Fahrt gekommen (Technorati-Rang 2.461.872).
Andere Kampagnen und Netzwerke (die bekanntesten: Bildungskampagne, Aktionsbündnis gegen Aids, StopEPA, EPA2007, Kampagne für Saubere Kleidung, CorA Netzwerk für Unternehmensverantwortung, Aktionsbündnis Landmine (sehr umfangreiche und aktuelle Nachrichtenseite rund um Landminen und andere Waffen), BUKO Pharmakampagne, Gemeinsam für Afrika) vertun die Chancen schneller Kommunikation, die mit Blogs und News-Feeds gegeben sind. Sporadisch gefütterte News-Rubriken und E-Mail-Newsletter sind die einzigen Wege über aktuelle Aktivitäten informiert zu werden (Übrigens: eine gute Übersicht aktueller und jüngst abgeschlossener Kampagnen gibt’s beim Portal Globales Lernen)
Einzelorganisationen
Jede mehr die Fundraising-Aktivitäten von Einzelorganisationen betroffen sind, desto besser ausgestattet sind die Webseiten von Einzel-NGOs. Kein Wunder, denn für sie ist es entscheidend, dass (potenzielle) Spender und Journalisten mit aktuellen Informationen „bei der Stange“ gehalten werden. Transparenz ist spätestens nach der UNICEF-Krise ein noch wichtigeres Thema. Schließlich sind Blogs ein einfaches Medium über weltweite Aktivitäten in Projekten zu Berichten. Auffällig ist, dass die Blogs insgesamt sehr jung sind. Eine Auswahl:
Auf der anderen Seite nutzen Organisationen Blogs zur Dokumentation der Basis-Arbeit. Lokale Aktionsgruppen finden sich hier wieder zum Beispiel die Aktionsgruppen von PLAN Deutschland (Technorati-Rang 1.910.875).
Die meisten anderen bekannten entwicklungspolitischen NRO beschränken sich bisher auf E-Mail-Newsletter (World Vision, action medeor, Oxfam, Transfair), darunter auch die bekannten kirchlichen Hilfswerke Misereor, Brot für die Welt (hier wird sich wohl einiges tun, wenn ich die aktuelle Stellenausschreibung richtig interpretiere) und deren Schwesterorganisation Diakonie Katastrophenhilfe. Die ist etwas weiter bietet sehr offensiv RSS-Feeds an (man kann z. B. Fürbitten abonnieren). Gleiches tun auch die Kindernothilfe oder Unicef.
Interessanterweise verzichten gerade Dachverbände wie VENRO oder die Arbeitsgemeinschaft der Landesnetzwerke (AGL) auf ihren Uralt-Webseiten sogar auf Newsletter. Den hat der Weltladen-Dachverband immerhin. Über die Gründe kann man nur spekulieren, vermutlich ist den Mitgliedsorganisationen eine ordentliche Ausstattung der eigenen Infrastruktur wichtiger als für den Dachverband Mittel bereit zu stellen.
Ein Fazit ist schnell gezogen: Obwohl sich viele Organisationen in den letzten Monaten eine Aufhübschung ihrer Webseiten gegönnt haben, sind wenige darunter, die den Weg bis an die Grenze des machbaren gegangen sind. Das Potenzial wurde von den ersten Organisationen erkannt, ob es dauerhaft genutzt wird, ist noch nicht abzusehen. Erlahmt die erste Euphorie und der Schreibwille der Betreiber wieder? Vermutlich nicht. Denn wenn erstmal die Kommentare anzeigen, dass die Leser die Transparenz und hoffentlich spannenden Geschichten „aus dem Feld“ zu schätzen wissen, motiviert das zu mehr. Im Bereich der Kampagnen müssen die „Entwicklungspolitiker“ nachsitzen. Hier schlummert das Potenzial noch, das das schnelle Medium bietet.