Im Herbst 2012 ist die Entwicklungs- und Hilfsorganisation Oxfam mit den Toten Hosen auf Tour gegangen. Mit im Gepäck waren erstmals zehn iPads inkl. eigens programmierter Oxfam-App zur Unterschriftensammlung. Bei 22 ausverkauften Konzerten wurden die Fans über die Kampagne „Steuer gegen Armut“ informiert – mit Erfolg. Gehört den Tablets die Zukunft des Offline-Campaignings? Ein Erfahrungsbericht*.
Ziel des Konzert-Campaignings war es, möglichst viele Unterstützer/innen für eine Petition für die Finanztransaktionssteuer zu gewinnen. Damit die Botschaft nachhaltig Gehör findet und nicht nach einem schweißtreibenden und alkoholschwangeren Konzert vergessen ist, sollten die Fans im Nachgang noch einmal von Oxfam hören.
Die Herausforderung war, eine große Zahl von Kontaktdaten akkurat zu erfassen und schnell zu verarbeiten. Wir entschieden uns, sie beim Konzert direkt digital zu sammeln. Die 350 ehrenamtlichen Konzert-Aktivist/innen, waren deshalb nicht nur mit klassischen Unterschriftenlisten ausgerüstet, sondern hatten auch gemietete iPads dabei, wenn sie vor Konzertbeginn das Gespräch mit den Fans suchten.
Digitale Unterschriftenliste
Auf den iPads erfasste und speicherte eine eigens von Nxtbgthng für diesen Zweck programmierte App als digitale Unterschriftenliste Name, E-Mail-Adresse und Postleitzahl. Nach dem Konzert konnten wir die Daten verschlüsselt übertragen und zeitnah eine Dankes-Mail versenden, die wiederum einen Link zu einem exklusiven Video der Band enthielt. In diesem danken Campino, Andi, Breiti und Co. dem Fan persönlich und erklären in eigenen Worten, warum sie sich für die „Steuer gegen Armut“ einsetzen (ähnlich diesem Clip).
Über 15.000 Fans haben bei den 22 Konzerten unterschrieben, das sind mehr als sechs Prozent aller Besucher/innen. Knapp zwei Drittel haben eine E-Mail-Adresse angegeben. 8.500 E-Mails erreichten ihre Empfänger/innen, die Hälfte davon klickte auf den Link zur Danke-Seite. Das dort eingebundene Video wurde rund 3.500 mal aufgerufen. Das bedeutet, dass fast ein Viertel aller Unterschreiber/innen am Ende das Video der Band gesehen hat – ein großartiger Erfolg.
Gehört den Tablets die Zukunft des Campaigning?
Das Feedback auf den iPad-Einsatz war zwiespältig, sowohl von den Fans wie auch von unseren Konzert-Aktivist/innen: Die Präferenzen hielten sich exakt die Waage. Während die iPads Neugierde wecken, ein modernes Image transportieren und „Spaß machen“, ist die klassische Papierliste gewohnt, selbsterklärend und bequem.
Die digitale Datenerfassung weckte bei einigen Fans Misstrauen – auch wenn an allen Stellen deutlich gemacht wurde, dass lediglich eine Dankes-E-Mail mit Video der Band verschickt wird. Akzeptanz wird es eher geben, wenn die Tablet ein Zusatzfeature gegenüber den Papierlisten bieten, bspw. eine Fotoaktion.
Erstaunlicherweise konnten wir für unseren Verdacht, dass Papierlisten „schneller zu bedienen“ sind, keinen Beleg finden. An dem Konzertabend in Düsseldorf, bei dem wir auf den iPad-Einsatz verzichtet haben, kamen genauso viele Unterschriften zusammen, wie bei anderen Gigs.
Fun Facts
Unter den rund 10.000 digitalen Unterschriften waren 196 Christians und 96 Julias, 57 % der Unterstützer/innen sind Männer. Die (anonymisierte) Darstellung der Postleitzahlen auf einer Karte lässt, wenn auch nicht repräsentative, Rückschlüsse auf das Einzugsgebiet der Konzerte zu – und zeigte nicht zuletzt auch den Adressaten der Petition, dass die „Steuer gegen Armut“ Bürger/innen aus ganz Deutschland ein Anliegen ist.
* Dieser Artikel ist zuerst im Blog von Oxfam Deutschland erschienen. Der Autor arbeitet für Oxfam.