Der Mikroblog-Anbieter Twitter gilt in den USA für viele Webnutzer bereits als DIE neue Killerapplikation und wird bereits von Hunderttausenden von Privatnutzern als auch von Institutionen oder NGOs bzw. in der Kampagnenarbeit genutzt. In Deutschland ist Twitter noch weitgehend unbekannt und wird derzeit hauptsächlich von webaffinen Privatpersonen und Bloggern genutzt.
Was ist Twitter?
Vom Selbstverständnis her soll Twitter Freunde und Bekannte über die kleinen und großen Ereignisse des täglichen Lebens informieren: Lenneth lässt die Welt wissen: „Nach 11, und ich kann immer noch nicht aufstehen. Ich brauche Tee.“ Fernando_johann fühlt sich „manchmal wie in einem Film“. Und das auf Englisch, Russisch oder Spanisch. Außer solchen Alltäglichkeiten werden aber auch aktuelle Nachrichten, Gerüchte oder Links blitzschnell verbreitet: sekundenschnelles virales Marketing quasi, Kommentarfunktion inklusive.
Twitter bietet ein Mikroblogsystem an, welches gratis von jedermann genutzt werden kann. Wie in einem ‚normalen’ Blog kann der Nutzer Beiträge einstellen, die sofort online sind. Allerdings sind die Beiträge auf einen Zeichenzahl von 140 beschränkt, das entspricht also in etwa der Länge einer SMS. Somit ist Twitter mehr geeignet für ein kurzes Update, ein Statement oder nur zum Versenden eines Links statt für ausführliche Kommentare oder Beiträge. Die Beiträge können entweder über Twitter.com eingestellt werden oder auch per SMS, Messenger und Browserapplikationen. Dieser kurze und anschauliche Film (in englischer Sprache) zeigt die Idee hinter Twitter auf:
Wie kann Twitter bei NGOs und in Kampagnen genutzt werden?
Twitter hat drei große Vorteile, die einem in der täglichen (Kampagnen-)Arbeit zum Vorteil werden können:
- es ist schnell,
- einfach zu administrieren und
- sehr interaktiv.
Letzteres birgt auch Twitters größten Nachteil in sich: es kann sehr zeitraubend sein, wenn es intensiv genutzt wird.
Was bringt Twitter für die tägliche Arbeit? Kaum eine NGO wird Beiträge wie ‚Hab grad mal den Praktikanten zum Kaffee holen geschickt‘ oder ‚Schaue mal eben die Bundesligaergebnisse an‘ veröffentlichen. Interessant sind aber alle Informationen zur direkten Arbeit, wie z.B. ‚Jetzt Treffen zur Besprechung der nächsten Kampagne‘ oder ‚Nachher Telefonkonferenz mit dem Ministerium zum Vorbringen unserer Forderungen‘. So entsteht für den Leser eine gefühlte Nähe zur Organisation. Gerade für Spendenorganisationen kann diese Bindung an die Leser interessant sein. Kurze Infos wie ‚Gerade mit dem Projektpartner in Tansania gesprochen, das Schuldach ist fertig‘ können dabei große Effekte haben. In Not- oder Katastrophenfällen kann dies sogar einen appellativen Charakter bekommen (‚Dorf XY von der Außenwelt abgeschnitten, Reis und Medikamente dringend benötigt‘), wie es z.B. Amnesty International am Beispiel von Menschenrechstverletzungen ansatzweise tut. Dabei ist klar, dass diese Kurzbotschaften manchen ausführlichen Blogeintrag niemals ersetzen kann. Vielmehr ist Twitter hierfür eine sinnvolle Ergänzung, auf die ausführlichen, kommentierenden oder berichtenden Blogeinträge kann per Link in Twitter hingewiesen werden.
In Deutschland kommt Twitter zum Beispiel bei der Greenpeace-Gruppe in Hamburg oder bei erlassjahr.de in vergleichbarer Form zum Einsatz. Dabei kann nahezu jedeR aus der NGO Twitter bedienen, denn die Administration erfordert nur die Eingabe von blankem Text, Formatierungen sind nicht nötig. Zudem sind eben 140 Zeichen schneller verbreitet als die Erstellung eines kompletten Blogartikels, womöglich noch mit Korrekturschleife.
Schnellig- und Interaktivität sind Aspekte, die in der Kampagnenarbeit den Unterschied machen. Die Aufmerksamkeit der Leser und Abonnenten über einen beschränkten Kampagnenzeitraum kontinuierlich auf einem hohen Level zu halten ist eine hohe Kunst. Einträge wie ‚Neues Kampagnenmotiv hochgeladen, wie findet Ihr es?‘ wird garantiert zu extrem schnellen und eben kurzen Kommentaren führen. Auch Hinweise wie ‚Gebe gerade Liveinterview auf Radiosender X‘ wird sicherlich bei vielen dazu führen diesen Kanal einzuschalten bzw. über das Web zu hören. Und schliesslich kann die Schraube auch sehr weit gedreht werden, bis hin zu direkten Aufforderungen ‚Brauchen noch 100 Unterschriften, werdet bitte jetzt sofort aktiv‘.
Im amerikanischen Wahlkampf, der quasi ausschließlich spendenfinanziert ist, machen sich die großen Kampagnen die Twitter-Blogs zueigen, z.B. Barack Obama. Bei Kampagnen, die in ihren Hochphasen viel auf der Straße unterwegs sind, kann das Update von Twitter über SMS die schnellste Form der Newsverbreitung über die Homepage sein, denn natürlich können Twitter-Beiträge auch über RSS-Feeds in die eigene Webseite (oder die von Unterstützern) eingebunden werden.
Bei Großereignissen, wie z.B. dem letztjährigen G8-Gipfel, muss sich der/die Kampagnenmanager/in auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Ressourcen entscheiden: will ich einen Liveblog von der Veranstaltung anbieten (vorausgesetzt dies ist auch technisch möglich) oder reicht mir die Verbreitung kurzer Eindrücke über Twitter, wie es z.B. die Blogger von Spreeblick mit spree8 – Nachrichten vom Zaun angeboten haben. In beiden Fällen hat der Nutzer den Mehrwert auf seiner Seite: schnelle und direkte Information, mit der Möglichkeit der sofortigen Kommentierung. Dies kann NGOs, die abhängig sind von der Unterstützung ihrer Symphatisanten und Unterstützer, nur in die Hände spielen. Mithin bietet Twitter einen weiteren, also zusätzlichen, Kommunikationsweg an, der in bestimmten Kampagnenphasen sogar zum entscheidenden Webtool werden kann.
P.S.: natürlich hat auch „Kampagne 2.0“ einen eigenen Kampagnen-Twitter. Schauen Sie doch mal rein!
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